Potsdam wird erste „Spurwechsel“-Kommune
Die Landeshauptstadt Potsdam hat als erste Brandenburger Kommune ihre Bereitschaft erklärt, das Modellprojekt „Spurwechsel“ für geduldete Geflüchtete umzusetzen. Das Projekt soll Geflüchteten mit noch fehlenden Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel durch gezielte Förderung die Chance auf einen Spurwechsel in Ausbildung oder Beschäftigung eröffnen und ihnen damit einen gesicherten Aufenthaltsstatus ermöglichen.
Das Integrationsministerium ist derzeit mit weiteren interessierten kommunalen Gebietskörperschaften dazu im vertieften Austausch. Ziel ist es, dass das Modellprojekt in kommunaler Trägerschaft an verschiedenen Standorten in Brandenburg erprobt wird. Die Landesregierung hatte sich über die Ziele des Modellprojekts am 21. März 2023 verständigt und die Idee den Landkreisen und kreisfreien Städten zum ersten Mal bei der Landrätekonferenz am 29. März 2023 vorgestellt.
Spurwechsel: Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern
Integrationsministerin Ursula Nonnemacher: „Für geduldete Geflüchtete, die aus nachvollziehbaren Gründen noch nicht in ihre Heimatländer zurückkehren können, besteht eine oft über Jahre andauernde unklare Lebensperspektive. Sie sind oft zum Nichtstun verdammt, obwohl sie arbeiten wollen. Das erschwert die Integrationsarbeit vor Ort. Wenn es uns gemeinsam gelingt, geduldete Geflüchtete durch gezielte Förderung in eine Beschäftigung zu bringen, so dass sie die Möglichkeit auf ein selbstständiges Leben außerhalb von Gemeinschaftseinrichtungen bekommen, werden Kommunen und Sozialsysteme gleichermaßen entlastet. In allen Branchen werden händeringend Beschäftigte gesucht. Auch deshalb ist es wichtig, alle Potenziale für den brandenburgischen Arbeitsmarkt so gut es geht zu nutzen. Ich danke der Landeshauptstadt Potsdam sehr für die Bereitschaft, hier aktiv mitzuwirken.“
Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert erklärt: „In Potsdam leben geflüchtete Menschen, die als Geduldete einen unsicheren Aufenthaltsstatus haben. Das aber führt zu einem oft mehrere Jahre andauernden Leben in der Schwebe. Viele von ihnen würden gerne eine Beschäftigung aufnehmen, wenn sie denn Zugang zum Arbeitsmarkt und zu den hierfür nötigen Qualifizierungen hätten. Hier wollen wir mit dem Modellvorhaben ansetzen.“
Zusätzliche Sprachangebote sollen helfen
Potsdam hat sich bereit erklärt, bis zu 300 geduldete Geflüchtete im Rahmen des Modellprojektes „Spurwechsel“ zu unterstützen. Dabei geht es um Personen, die sich als Geduldete bereits seit mehreren Jahren in der Landeshauptstadt Potsdam aufhalten. Zu den wesentlichen Bausteinen zählen insbesondere die Einrichtung einer Koordinierungsstelle und die Schaffung zusätzlicher Angebote zum Spracherwerb.
Mit der Bereitschaftserklärung der Landeshauptstadt Potsdam sollen nun vor Ort Abstimmungen mit weiteren Partnern, zum Beispiel Ausbildungs- und Qualifizierungsträger, die Bundesagentur für Arbeit, Kammern, Betriebe, Träger von Integrationsangeboten und Sprachkursen sowie Willkommensinitiativen, folgen.
Die Zielgruppe des Modellprojektes sind langjährig Geduldete in den Landkreisen und kreisfreien Städten. Das sind Geflüchtete, deren Antrag auf Asyl (bestands- oder rechtskräftig) abgelehnt worden ist, eine Rückführung auf absehbare Zeit aufgrund
- der Sicherheitslage im Herkunftsland,
- fehlender Kooperation des Herkunftsstaats bei der Rückübernahme seiner Staatsangehörigen,
- eines andauernden Klageverfahrens oder
- des Vorliegens sonstiger Duldungsgründe nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes
jedoch ausgesetzt werden muss bzw. nicht umsetzbar ist. Davon ausgenommen sind volljährige Personen, die aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen.
Nonnemacher fordert langfristig angelegte Integrationsinfrastruktur
Ziel des Modellprojekts ist es, dass bei erkennbarem Ausbildungs- bzw. Qualifizierungserfolg oder bei der Aufnahme einer Beschäftigung ein Aufenthaltstitel im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten gewährt wird. Nach dem Aufenthaltsgesetz haben kommunale Ausländerbehörden einen Ermessensspielraum, geduldeten Geflüchteten eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn sie sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert haben.
Vor dem Flüchtlingsgipfel mit dem Bundeskanzler am 10. Mai 2023 fordert Brandenburgs Integrationsministerin Nonnemacher vom Bund eine langfristig angelegte Integrationsinfrastruktur, die Integration von Anfang an ermöglicht: „Erstorientierungskurse und Sprachkurse müssen allen Geflüchteten angeboten werden. Integration vor Ort kann nur erfolgreich sein, wenn alle Geflüchteten schnell die deutsche Sprache lernen können und Hilfe bei der Orientierung in der neuen Umgebung erhalten. Integration ist ein Thema, das auch die Zukunftsfähigkeit unseres Landes bestimmen wird. Wir brauchen dauerhaft Zuwanderung, um die großen sozial- und arbeitspolitischen Herausforderungen, die der demografische Wandel mit sich bringt, bewältigen zu können. Die Frage nach Integrationsangeboten darf deshalb nicht immer nur temporär angesichts krisenbedingter Fluchtbewegungen eine Rolle spielen, sondern muss endlich als dauerhafte Aufgabe verstanden werden.“
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